Die hier zu hörenden und zu lesenden Lieder sang Irina Kečimova (geb. Sopočina, 1961) am 2. und 4. Juli 1996 im Rajon Surgut des Autonomen Kreises der Chanten und Mansen in Nord-West-Sibirien, in der Sommersiedlung nahe des Flusses Čikli-Jawen (ein Nebenfluss des Tromagan). Ein paar Tage, nachdem die Lieder aufgenommen worden waren, hörten wir sie gemeinsam erneut an, wobei mir Irina Kečimova dabei behilflich war, die Texte zu transkribieren und zu interpretieren.
Irina Kečimova ist Sprecherin des Tromagan-Chantischen, das zum Surgut-Dialekt des Ost-Chantischen gehört. Ihr Vater, Ivan Stepanovič Sopočin (1910-1993), war ein sehr berühmter Schamane der Region, ihre Mutter war Agan-Chantin.
Das ursprüngliche Heimatgebiet der Familie Sopočin lag dort, wo heute die Stadt Kogalym ist. Die Familie musste wegen des Baus dieser Stadt umsiedeln. Sie leben heute weiter westlich, verteilt auf einem Gebiet von einem Durchmesser von 40 Kilometern.
Irina ging in den folgenden Dörfern am Fluss Tromagan zur Schule: Staryj-Tromagan, Jubilejnyj und Russkinskie. Sie spricht gebrochen Russisch. Ihr Ehemann, Dmitrij Antonovič Kečimov (1960-1999), war ebenfalls Tromagan-Chante und lebte auf traditionelle Weise. Auch er sang und erzählte sehr gerne Märchen und übersetzte sehr genau. Er starb unter tragischen Umständen in einem Unfall. Sie haben fünf Kinder.
Die persönlichen Lieder stammen teils von Irina Kečimova selbst, teils lernte sie sie von ihren Verwandten und Gästen. Die mythischen Lieder, die mir Irina Kečimova auf Band sang, werden später publiziert. Die Transkription der Liedtexte folgt der von mir für das Surgut-Chantische ausgearbeiteten Transkription (vgl. Márta Csepregi: Szurguti osztják chrestomathia [Surgut-ostjakische Chrestomathie], Szeged, 1998).
Der erste Mann einer Frau ist gestorben. Ein Heiratsanwärter kommt zu dieser Frau, die ihn zurückweist und nicht heiratet. Stattdessen zieht sie zu ihrer älteren Schwester. Erstpublikation.
Mitja (Dmitrij Dmitrievič Kečimov, 1987) ist der zweitgeborene Sohn von Irina. Das Lied wurde von der Patentante des Jungen, Irinas ältester Schwester, Fekla Ivanovna Pokačeva (1944), geschrieben. Die persönlichen Lieder von kleinen Jungen handeln oft von „Heiratsanträgen“, bei denen sie mit einer alten Bekannten zusammengeführt werden. Solche Lieder werden auch als Wiegenlieder gebraucht. Als ich dort war, hörte der damals 9jährige Mitja dieses Lied sehr ungern, er empfand es als spöttisch. Ersterscheinung des Liedtextes: Katalin Lázár - Márta Csepregi: Keleti osztják bölcsődalok [Ostchantische Wiegenlieder]. Zenetudományi dolgozatok [Musikologische Studien] 1997-1998: 211-221.
Dieses Lied stammt von Irina selbst. Es ist das Wiegenlied für ihre einzige Tochter Tatjana Dmitrievna Kečimova (1994). Der Kosename des Mädchens in der Familie ist Lada, der sich im Liedtext wiederholt. Erstpublikation.
Jakob war zu Gast bei Irina und ihrer Familie. Sie lernte dieses Lied von ihm. Ersterscheinung des Liedtextes: Márta Csepregi: Szurguti osztják chrestomathia [Surgut-ostjakische Chrestomathie]. Szeged. 1998: 110.
Irina kennt die offiziellen Namen von den Verwandten von Ureko nicht, deswegen kann sie diese nur anhand ihrer Verwandtschaftsbeziehungen unterscheiden. Ersterscheinung des Liedtextes: Márta Csepregi: Szurguti osztják chrestomathia [Surgut-ostjakische Chrestomathie]. Szeged. 1998: 112.
Irinas Großmutter mütterlicherseits, Varvara Ajpina (geb. Pokačeva), starb Anfang der 1930er Jahre. In diesem Lied vertraut sie, als ob sie ihren baldigen Tod spüren würde, ihre zwei Kinder ihrer Schwägerin an. Dieses Lied hat auch schon 1992 Katalin Lázár von Fekla Ivanovna aufgenommen. Laut der russischsprachigen Erklärung eines der anderen Geschwister stammt das Lied von der Großmutter, aber auf einer der chantischsprachigen Tonaufnahmen sagt Fekla: „Мeine Mutter hat es geschrieben“. Das Lied ist daher keine Prophezeiung, sondern eine Chronik – jedoch in der Form der persönlichen Lieder, also in der ersten Person Singular gesungen. Erstpublikation aller drei Liedtexte: Katalin Lázár (Hrsg.): Tanulmányok a Szurguti osztják kultúráról [Studien zur Kultur der Surgut-Ostjaken]. Néprajzi Múzeum [Ethnographisches Museum]. Budapest 1997. 63-65.
Lied des Vaters von Irina Kečimova, Ivan Stepanovič Sopočin (1910-1993). Erstpublikation des Liedtextes: Márta Csepregi: Szurguti osztják chrestomathia [Surgut-ostjakische Chrestomathie]. Szeged. 1998: 114
Erstpublikation.
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Erstpublikation des Liedtextes: Márta Csepregi: Szurguti osztják chrestomathia [Surgut-ostjakische Chrestomathie]. Szeged. 1998: 116-118.
Irinas Version des russischen Volksliedes „Čto stoiš kačajas'“ („Was stehst du schwankend“). Laut ihrer Erzählung gefiel ihr der Text des Volksliedes nicht, weshalb sie ihn neu formulierte. Die Melodie erinnert an die Melodieführung der ersten zwei Zeilen des Volksliedes, aber sie kann oder will nicht die ihr fremde Originalmelodie befolgen, sie hält auch nicht die Tonart. Dieses Lied ist ein interessantes Beispiel für die gegenseitige Beeinflussung der Kulturen. Erstpublikation.
Erstpublikation des Liedtextes: Márta Csepregi: Szurguti osztják chrestomathia [Surgut-ostjakische Chrestomathie]. Szeged. 1998: 110.
Erstpublikation des Liedtextes: Márta Csepregi: Szurguti osztják chrestomathia [Surgut-ostjakische Chrestomathie]. Szeged. 1998: 120.
Erstpublikation.
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