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Finnische Obugristen

Karl August Engelbrekt Ahlqvist

*7. August 1826 in Kuopio/Finnland, † 20. November 1889 in Helsinki/Finnland.

image Karl August Engelbrekt Ahlqvist Finnischer Sprachwissenschaftler und Schriftsteller, neben József Budenz Begründer der Finnougristik.

Ahlqvist studierte ab 1843 Latein, Griechisch sowie Geschichte an der Universität Helsinki. 1846-1847 unternahm er Forschungsreisen nach Nordkarelien, Ostostbottnien und Weißmeerkarelien, 1854 und 1855 folgten weitere Reisen durch Karelien, Ingermanland und Estland. Ziel all dieser Expeditionen war die Erforschung der dortigen mit dem Finnischen verwandten Sprachen. Hierzu erschienen 1856 Beschreibungen des Wotischen und 1859 des Wepsischen.
Nach dem Abschluss seiner Dissertation mit dem Titel Bidrag till Finska språkforskningens historia före Porthan (1854) wurde er 1859 Dozent an der Universität Helsinki. Im selben Jahr erschien mit Muistelmia matkoilta Wenäjällä 1854-1858 der erste finnischsprachige Reisebericht überhaupt.


Von 1856 bis 1859 bereiste er den Mittellauf der Wolga sowie das Ob-Becken. Dabei sammelte er reichhaltiges Material über die Mari, Mordwinen, Tschuwaschen, Tataren, Mansen und Chanten. Dadurch konnte er als erster Forscher die Theorie über die Zugehörigkeit des Tschuwaschischen zur finnisch-ugrischen Sprachfamilie falsifizieren. Ahlqvist war es auch, der die Grammatik des Mokscha-Mordwinischen 1861 als erster wissenschaftlich behandelte. 1877 und 1880 folgten zwei weitere Reisen zu den Mansen und Chanten.
1863 wurde Ahlqvist als Nachfolger von Elias Lönnrot zum Professor für finnische Sprache und Literatur an der Universität Helsinki ernannt. Von 1884 bis 1887 war er Universitätsrektor.
In vielerlei Hinsicht leistete Ahlqvist Pionierarbeit: Abgesehen von Arbeiten zur finnischen Metrik 1863, zur finnischen Derivation und Nominalflexion 1877 befasste er sich 1871 als erster Forscher mit den Kulturwörtern der westfinnischen Sprachen. Außerdem veröffentlichte er 1863 eine vergleichende Arbeit zur Verwandtschaft des Finnischen mit dem Ungarischen.
Zusammen mit D.E.D. Europaeus und Paavo Tikkanen gründete er bereits 1846 die Zeitschrift Suometar. 1876 wurde auf Ahlqvists Vorschlag hin die Gesellschaft für die Erforschung der finnischen Sprache (Kotikielen Seura) gegründet. Ferner gab er das Periodikum Kieletär heraus.
Neben seiner Tätigkeit als Sprachwissenschaftler war Ahlqvist auch Literaturkritiker und Dichter. Unter dem Pseudonym A. (August) Oksanen veröffentlichte er Gedichte und schrieb schon als Schüler für die Zeitung Saimaa in Kuopio. Posthum wurden von Yrjö Wichmann 1891 Ahlqvists Wogulisches Wörterverzeichnis sowie 1894 August Ahlqvists Wogulische Sprachtexte nebst Entwurf einer wogulischen Grammatik veröffentlicht.

(Marianne Zehetmaier)

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Werke (Auswahl):

Mathias Alexander Castrén

*2. Dezember 1813, Tervola/Finnland, † 7. Mai 1852, Helsinki/Finnland.

image Mathias Alexander Castrén Forscher, Uralist, Begründer der Samojedologie und der sibirischen anthropologischen Linguistik.

Castrén unternahm zwei lange Expeditionen nach Nordosteuropa und nach Sibirien, um die osturalischen Sprachen zu erforschen. 1851 wurde Castrén der erste Vorsitzende des neueingerichteten Lehrstuhls für Finnische Sprache und Literatur an der Universität Helsinki.
Als Student der Sprachwissenschaft in Helsinki wurde Castrén mit der Arbeit von R. Rask vertraut und fasste so das Vorhaben, die historisch-vergleichende Methode auch auf die finnische Sprache anzuwenden. In seiner Doktorarbeit (1839) erbrachte Castrén einen Nachweis für die gemeinsame Herkunft einiger Elemente in der Deklination – z.B. des Stufenwechsels – im Finnischen, Estnischen und Saamischen.
Auf A. J. Sjögrens Initiative hin und mit finanzieller Unterstützung des finnischen Finanzministeriums unternahm Castrén in den Jahren 1841-1844 eine sprachwissenschaftliche und ethnographische Forschungsreise, die ihn durch Finnland und den russischen Teil Lappands bis an den Fluss Ob führte. Auf seiner Reise untersuchte er die Sprachen Saamisch, Komi und Nenzisch und schrieb eine Grammatik des Komi (1844a). Er erkrankte und musste nach Helsinki zurückkehren, aber nachdem er wieder genesen war, reiste er 1845 erneut nach Sibirien, diesmal im Auftrag der Kaiserlichen Russischen Akademie der Wissenschaften. Auf dieser Exedition untersuchte er mehrere indigene sibirische Sprachen und Völker, v.a. im Flussgebiet des Ob und des Jenissei, und verlängerte seine Reise tief ins Sajangebirge hinein und hinter den Baikalsee. Als Castrén 1849 nach Helsinki zurückkehrte, hatte er viel Material zum Chantischen und zu allen fünf noch gesprochenen samojedischen Sprachen gesammelt, aber ebenso zu mehreren Turk-, tungusischen und mongolischen Sprachen. Darüber hinaus hatte er die ketische und kottische Sprache entdeckt.
Auf seiner Reise erarbeitete Castrén seine Theorie über die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den finnisch-ugrischen, den samojedischen und den altaischen Sprachen und Völkern und forschte auch zu deren Urheimat im Altai- und Sajangebirge (vgl. 1846, 1850).
In seinen letzten Lebensjahren arbeitete Castrén intensiv an seiner Materialsammlung, veröffentlichte eine chantische Grammatik (1849) und bereitete eine große Grammatik der samojedischen Sprachen vor. Nach Castréns Tod übernahm F. A. v. Schiefner die Zuständigkeit für Castréns unveröffentlichte Arbeiten und gab sein Gesamtwerk in einer zwölfbändigen Reihe (1853-1862) heraus.
Auf der Grundlage der Materialsammlung seiner Reisen zeigte Castrén die Ähnlichkeiten zwischen den finnisch-ugrischen und samojedischen Sprachen auf, während seine Theorie über eine Verwandtschaft zwischen den uralischen und altaischen Sprachen nicht bewiesen werden konnte. Die von ihm durchgeführten Beschreibungen zahlreicher sibirischer Sprachen haben ihre Bedeutung als Materialquelle bis in die Gegenwart bewahrt. Castrén galt vielen nachfolgenden Wissenschaftlern auf ihren sprachwissenschaftlichen und ethnographischen Forschungsreisen zu den uralischen Völkern als Leitbild.

(Mikko Korhonen; bearbeitet von Johanna Laakso; übersetzt von Gábor Fónyad)

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Werke (Auswahl):

Literatur über Castrén:

Kai (Karl) Reinhold Donner

*1. April 1888 in Helsinki, Finnland, † 12. Februar 1935 ebd.

image Kai Donner Linguist, Anthropologe und Ethnograph.
Er war der Sohn von Otto Donner, der den ersten Stammbaum der finnougrischen Sprachen erstellt und die Finnisch-Ugrische Gesellschaft gegründet hat. Kai Donner erlangte in den Jahren 1914 und 1921 Hochschulabschlüsse, gefolgt von einem Doktorat im Jahr 1923. 1924 wurde er an der Universität Helsinki zum Assistenzprofessor für Uralische Sprachen ernannt.
Nachdem er in Helsinki, Budapest und Cambridge studiert hatte, führten seine ersten Expeditionen zu den Selkupen zwischen Tomsk und Krasnojarsk, wo in der Gegend um Kansk noch kamassisch gesprochen wurde. Die Reise ging von Tomsk nach Krasnojarsk (Selkupen), entlang der Flüsse Ket und Jenissei (Nganasanen) in Richtung Turukhansk sowie Dudinka (Nganasanen, Jakuten, Dolganen und Tungusen) und schließlich entlang des Tas zurück zum Ob. Seine zweite Expedition zu den Kamassen 1914 fand durch den Beginn des Ersten Weltkriegs ein Ende.
Zurück in Finnland wurde er während des Finnischen Bürgerkriegs 1918 zum Reserveoffizier, in der Jägerbewegung kam er zu Ehren, ferner war er Geschäftsmann und Industrieller.
Große Teile seiner Materialsammlung aus den Jahren 1911-1914 blieben unveröffentlicht und bis in die 60er unbearbeitet, als Pekka Sammallahti, Juha Janhunen und Ago Künnap weitere Teile übersetzten und katalogisierten. 2004 veröffentlichte Jamro Alatalo ein selkupisches Wörterbuch, das auf dem Material von Kai Donner und U.T. Sirelius basiert.
Von 1920 bis 1922 war er Herausgeber von Suunta-lehti und von 1924 bis 1934 Assistenzprofessor für uralische Sprachen an der Universität Helsinki. 1932 wurde er Mitglied der Finnischen Akademie der Wissenschaften und 1934 der Suomen Tiedeseura.
Neben seiner sprachwissenschaftlichen Arbeit war Donner politischer Aktivist, weshalb er die Zeit von 1916-1918 im schwedischen und deutschen Exil verbringen musste. Darüber hinaus war er Mitglied der rechtsradikalen Lapua-Bewegung.

(Maximilian Murmann)

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Werke (Auswahl):

Juha Artturi Kannisto

*12. Mai 1874 in Kylmäkoski/Finnland, † 10. März 1943 in Helsinki/Finnland..

Im Rahmen seines Studiums beschäftigte sich Kannisto zunächst mit den Dialekten seiner westfinnischen Heimat. Nachdem er sein Studium des Finnischen und der fu. Sprachen abgeschlossen hatte, erschien seine wegweisende Abhandlung zur Grammatik der Häme-Dialekte. Im Jahr 1901 begab er sich auf eine fünfjährige Forschungsreise nach Sibirien. Dort sammelte er sprachliche sowie ethnographische Daten der mansischen Hauptdialekte, die er mit Hilfe seines Schülers Matti Liimola zum Druck vorbereitete. Veröffentlicht wurden die Werke posthum von Liimola. Kannisto promovierte 1922 über den wogulischen Vokalismus und war von 1927 bis zu seinem Todesjahr 1943 an der Universität Helsinki als außerordentlicher Professor für Finnougristik tätig.

Kannisto hat sich als Organisator um die Erforschung der finnischen Volkssprache verdient gemacht und war darüber hinaus wissenschaftspolitisch aktiv. So fungierte er zwischen den Jahren 1919-1935 als Sekretär und anschließend bis zu seinem Tod als Vorsitzender der Finnisch-Ugrischen Gesellschaft. Im Rahmen des von ihm ausgearbeiteten Programms zur systematischen Veröffentlichung der Sammlungen finnischer Forschungsreisender erschien auch sein lexikographisches Material der mansischen Sprache. Kannisto pflegte darüber hinaus intensive Kontakte zur Ungarischen Akademie der Wissenschaften; für seine wissenschaftliche Arbeit wurde er in Finnland und Ungarn mit diversen Verdienstorden und Ehrendoktortiteln ausgezeichnet.

(Maximilian Murmann)

Werke (Auswahl):

Posthum:
  • (1951, 1955, 1956, 1958, 1959, 1963): Wogulische Volksdichtung. Gesammelt und übersetzt von Artturi Kannisto, bearbeitet und herausgegeben von Matti Liimola. I–VI. Mémoires de la Société Finno-Ougrienne 101, 109, 111, 114, 116, 134.
  • (1958): Materialien zur Mythologie der Wogulen. Gesammelt von Artturi Kannisto, bearbeitet und herausgegeben von E. A. Virtanen und Matti Liimola. Mémoires de la Société Finno-Ougrienne 113.
  • (1982): Wogulische Volksdichtung. Gesammelt und übersetzt von Artturi Kannisto. VII. Wörterverzeichnis zu den Bänden I–VI. Bearbeitet von Matti Liimola & Vuokko Eiras. Herausgegeben von Vuokko Eiras. Mémoires de la Société Finno-Ougrienne 180.
Literatur über Kannisto:
  • Liimola, Matti (1943): Artturi Kanniston elämäntyö. Virittäjä 47.
  • Liimola, M. – Kulmala, V. (1975): Artturi Kannisto und sein Lebenswerk. Suomalais-ugrilaisen seuran aikakauskirja 73.
  • Ravila, P. (1944): Artturi Kannisto 1874 – 1943. Finnisch-Ugrische Forschungen 28.

Kustaa Fredrik Karjalainen

*1871 in Kajaani/Finnland, † 1919 in Loviisia/Finnland.

Finnischer Philologe und Ostjakologe.

Karjalainen studierte Finnisch und die finno-ugrischen Sprachen sowie Geschichte in Helsinki. Bereits während des Studiums unternahm er insgesamt drei Forschungsreisen nach Karelien (1894 Weißmeerkarelien, 1895 Twer-Karelien, 1897 Rukajärvi).
Nach seinem Universitätsabschluss 1897 erhielt Karjalainen ein Forschungsstipendium zum Studium der Chanten. Zwischen 1898 und 1902 lebte er im chantischen Sprachgebiet und erforschte dort alle chantischen Hauptdialekte. Seine Reiseberichte hierzu wurden zwischen 1900 und 1903 in mehreren Folgen und 1983 in einem Band mit dem Titel Ostjakit von der Finnisch-Ugrischen Gesellschaft (Suomalais-Ugrilainen Seura) veröffentlicht.
Auf diesen Reisen konnte er ein vielfältiges Text- und Wortschatzmaterial sammeln, das 1948 in einem von Y. H. Toivonen redigierten Wörterbuch veröffentlicht wurde. Noch heute sind Karjalainens Sammlungen von erheblicher Wichtigkeit für die Ostjakologie, unter anderen da das von ihm dokumentierte Südchantische bereits ausgestorben ist.
In seiner Promotion 1904 beschäftigte er sich mit der Lautgeschichte des Ostjakischen. Nach seiner Dissertation arbeitete er im historisch-philologischen Institut der Universität Helsinki als Assistent und ab 1905 als Privatdozent für Finnisch-Ugrische Sprachwissenschaft und wurde im gleichen Jahr stellvertretender Lektor für Finnisch. Ab 1906 war er Sekretär der Finnisch-Ugrischen Gesellschaft und schließlich ab 1908 (mit Unterbrechungen) stellvertretender Professor für Finnische Sprache und Literatur.
Neben seiner Tätigkeit als Sprachforscher befasste sich Karjalainen auch eingehend mit der Mythologie und dem Weltbild der obugrischen Völker.
Karjalainen verstarb mit 48 Jahren; er selbst hat den Großteil seines gesammelten chantischen Materials nicht veröffentlichen können. Diese Aufgabe übernahm Edith Vértes (1919-2002).

(Marianne Zehetmaier and Bernadett Bíró; translated by Marianne Zehetmaier)

Werke (Auswahl):

Matti Engelbert Liimola

*25. Mai 1903 in Ylöjärvi/Finnland, † 6. August 1974 in Ylöjärvi/Finnland.

Matti Engelbert Liimola wurde als Sohn einer Bauernfamilie mit elf Kindern am 25. Mai 1903 geboren. Er verbrachte seine Kindheit an den Ufern des Näsijärvi-Sees in der Gemeinde Ylöjärvi. Das Gymnasium besuchte er in Tampere, wo er 1924 die Prüfung zur Hochschulreife ablegte. Im Herbst 1925 wurde Liimola zum Studium der Germanischen Philologie an der Universität Helsinki zugelassen. Zu seinen weiteren Studienfächern zählten Finnische Sprache und Literatur, Romanische Literatur sowie Finnische und Vergleichende Folkloristik. Obwohl Finnougristik nicht zu seinen Fächern zählte, ist von ihm bekannt, dass er die Vorlesungen von Prof. Artturi Kannisto zur mansischen Sprache besuchte. Liimola schloss die Universität 1930 mit der Magisterprüfung ab. Während des akademischen Jahres 1930–31 studierte er am angesehenen Eötvös Loránd kollégium in Budapest. Es wird berichtet, dass er dort die kompletten vier Bände der umfangreichen mansischen Folkloresammlung Vogul Népköltési Gyűjtemény (1892–1921) von Bernát Munkácsi gelesen hat. Dies lässt auf seine Entschlossenheit und seine Entscheidung bezüglich der Karriere schließen. Der alternde Kannisto rekrutierte seinen eifrigen Schüler als Assistenten, um das Feldforschungsmaterial zu edieren. 1933 bekam Liimola ein Stipendium von der Finnisch-Ugrischen Gesellschaft. Im gleichen Jahr hielt er seinen ersten Vortrag während der monatlichen Zusammenkunft der Gesellschaft. Die Zusammenarbeit mit Professor Kannisto dauerte bis zu dessen Tod 1943 an. Zu dieser Zeit unterbrach der Zweite Weltkrieg die Editionstätigkeiten, da Liimola an der Front dienen musste – teils als einfacher Soldat, teils betraut mit speziellen Aufgaben im obersten Hauptquartier. Nach Kriegsende nahm Liimola sein Vollzeit- Stipendium der Finnisch-Ugrischen Gesellschaft wieder auf bis zum Jahr 1963. Später, als er im Ruhestand war, führte er seine wissenschaftlichen Forschungen im Rahmen eines Teilzeitstipendiums bis zu seinem Tod am 6. August 1974 fort

1962 wurde eine neue Professur für Finnougristik an der Universität Turku eingerichtet. Viele von Liimolas Kollegen baten ihn eindringlich, sich für diese Stelle zu bewerben, und überzeugten ihn schließlich davon, dass es seine Pflicht wäre. Da er ein bemerkenswert kompetenter Kenner der mansischen Sprache war, verfasste er seine Doktorarbeit in sehr kurzer Zeit und verteidigte sie nach seinem 60. Geburtstag im Herbst 1963. Der Titel der Arbeit lautete Zur historischen Formenlehre des Wogulischen I. Flexion der Nomina (MSFOu 127). In dieser Abhandlung wurde die Entwicklung unterschiedlicher morphologischer Elemente im Mansischen bis in die verwandten Sprachen verfolgt. Die Numerusmarkierungen, die 2 Kasussuffixe der nominalen Paradigmata und andere Formen sowie die Geschichte und der Ursprung der Possessivsuffixe im Mansischen wurden in einer neuen und überzeugenden Weise behandelt. Da sich die Monographie durch eine stimmige Zusammenfassung auszeichnete und in einem klaren Stil geschrieben war, diente sie als Modell für spätere Studien. Liimola wurde im Frühjahr 1964 zum Professor ernannt. Seine Karriere an der Universität Turku währte nicht lang, aber während seiner Zeit dort begründete er 1965 das Institut für Finnougristik. Ab 2010, nach der Zusammenlegung verschiedener Institute der Universität von Turku, wurde das Institut zu einem Bestandteil einer größeren Einheit, der sogenannten Schule für Sprachen und Übersetzungswissenschaft an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät.

Obwohl Liimola niemals das Uralgebirge überquert hatte, war seine tägliche Beschäftigung mit den mansischen Sprachmaterialien so effektiv, dass er im Laufe der Zeit die Sprache fließend sprechen lernte. Er kannte sich nicht nur mit den Materialien zum Mansischen aus, die von all den Vorgängern Kannistos gesammelt worden waren, sondern auch mit den Lehrbüchern und Wörterbüchern, die zu Sowjetzeiten veröffentlicht worden waren. Als Kannisto starb, war die herausgeberische Tätigkeit der von ihm gesammelten linguistischen Materialien sehr weit fortgeschritten. Der akribische Liimola vermochte den ersten Band der Wogulischen Volksdichtung erst 1951 zu veröffentlichen. Der sechste und letzte Band ging 1963 in Druck. Diese sechs Bände (MSFOu 101, 109, 111, 114, 116, 134), die zusammengenommen 2826 Seiten umfassen, bestehen aus Folkloretexten mit deutschen Übersetzungen. 733 Seiten enthalten über 8500 umfassende Kommentare. Der siebte Ergänzungsband (MSFOu 180), ein Wörterverzeichnis zu den vorangegangenen Bänden, wurde in Zusammenarbeit (ab 1968) mit Vuokko Eiras (geb. Kulmala) 1982 veröffentlicht. Die Vorlesungen Kannistos zur mansischen Mythologie wurden von Liimola gemeinsam mit E.A. Virtanen als eigenständiger Band unter dem Titel Materialien zur Mythologie der Wogulen 1958 (MSFOu 113) herausgegeben. Ein umfassendes Wörterbuch der mansischen Dialekte, das auf Kannistos Materialien (ursprünglich 30.000 Karteizettel) basierte, war seit Jahrzehnten in Vorbereitung und gelangte 2012 schließlich in die Übersetzungs- und Korrekturphase. Nach Vuokko Eiras´ Rückzug in den Ruhestand lastet die endgültige Redigierung auf den Schultern von Arto Moisio.

Liimola hatte seine wissenschaftliche Karriere mit kleinen etymologischen Artikeln begonnen, deren Zahl bis an sein Lebensende stetig zunahm. Diese Artikel befassten sich mit der Geschichte von 166 finnougrischen Wörtern. Liimola fand Kognaten für 3 über 100 obugrische Wörter in einigen verwandten Sprachen. Oft steht dabei interne Entlehnung im Mittelpunkt, viele nordmansische Wörter können als Entlehnungen aus dem Nordchantischen erklärt werden. Ab den 1940er Jahren begann sich Liimola mit Fragen zur mansischen Morphologie zu beschäftigen, daneben mit historischer und Derivationsmorphologie. Es wurden die mansischen Personalpronomina (1944), die Derivationssuffixe (1949), die Kasusmarkierungen für das Objekt (1954) und die Morphologie (1956) behandelt. Die Entwicklung von Nomina in Derivationssuffixe wurde mit ähnlichen Phänomenen in der ungarischen Sprache verglichen. Liimola veröffentlichte zweimal eine Analyse der mansischen objektiven Konjugation (1968, 1973). Die komplexe Deklination des Ostchantischen und der Ursprung einiger Kasussuffixe waren Gegenstand seiner Studien im Jahre 1971. Liimola zeichnete sich ebenso durch wertvolle Hinweise und Kompetenz aus, wenn es darum ging, finnougristische Arbeiten von Kollegen zu beurteilen. Für Jahrzehnte war er die führende Autorität auf seinem Spezialgebiet, viele kamen, um bei ihm zu studieren, vor allem ungarische Kollegen. Wolfgang Steinitz drückt seine Dankbarkeit gegenüber Liimola mit der Feststellung aus, das Dialektologische und etymologische Wörterbuch der ostjakischen Sprache wäre ohne ihn unvollständig geblieben. Béla Kálmán dankt ihm im Vorwort seines Wogulischen Wörterbuches (1986) für die Diskussionen.

Folgende Ämter bekleidete Liimola im Laufe seines Lebens:
Protokollsekretär der Finnisch-Ugrischen Gesellschaft 1936–1954.
Vorstandsmitglied der Finnisch-Ugrischen Gesellschaft 1955–1971.
Preis der Finnischen Kulturstiftung (Suomen Kulttuurirahasto) 1972.

(verfasst von Merja Salo; übersetzt von Veronika Bauer)

Werke (Auswahl):

Heikki Paasonen

*2. Januar 1865, Mikkeli/Finnland, † 24. August 1919, Helsinki/Finnland.

Wissenschaftler und Erforscher der uralischen Sprachen.
Paasonen unternahm zwei Expeditionen zu den finnisch-ugrischen Völkern Russlands. Er promovierte 1893 und wurde 1904 Professor für Finno-Ugristik an der Universität Helsinki.
Auf seinen Forschungsreisen untersuchte Paasonen die finnisch-ugrischen Sprachen Mordwinisch, Marisch und Chantisch und die Turksprachen Tschuwaschisch und Tatarisch. Von diesen Sprachen, insbesondere vom Mordwinischen, sammelte er große Mengen an lexikalischen und grammatischen Daten und erstellte Textsammlungen. Die meisten Texte wurde erst nach Castréns Tod von P. Ravila et. al. veröffentlicht. Das auf der Grundlage von Paasonens Material erstellte große Lexikon der mordwinischen Dialekte wurde in den 1990er Jahren veröffentlicht.
Paasonen ist gemeinsam mit E. N. Setälä einer der Wegbereiter der junggrammatischen Schule in Finnland. Seine Doktorarbeit über historische mordwinische Phonologie (1893) gilt als ein Meisterwerk der Übertragung der junggrammatischen Methoden, ebenso wie seine Arbeiten zur historisch-vergleichenden Phonologie und Etymolgie der uralischen Sprachen. Seine Beiträge (1917) sind der erste Versuch einer Lautgeschichte der uralischen Sprachen und wurden mehrere Jahrzehnte lang als Quellensammlung und Referenzwerk verwendet.
Paasonen interessierte sich für die Kontakte zwischen uralischen und anderen Sprachen und untersuchte unter anderem turkische Lehnwörter im Mordwinischen (vgl. 1897) und im Chantischen (vgl. 1902). Mit seiner Studie über die Ähnlichkeiten zwischen den finnisch-ugrischen und den indogermanischen Sprachen (1908a) beteiligte er sich an der Diskussion, die einige Zeit davor durch H. Sweet und K. B. Wiklund ausgelöst worden war. Paasonen berücksichtigt zwar eine große Zahl seiner eigenen indo-uralischen Wortvergleiche, aber er erklärt auch, dass die Art und die Anzahl der grammatikalischen und lexikalischen Ähnlichkeiten keinen Anlass dazu geben, für die These einer ursprünglichen Verwandtschaft einzutreten.
Paasonens Materialsammlung hat ihren Wert als Forschungsquelle behalten, sogar der heutige Wissensstand über die mordwinischen Dialekte beruht zum Großteil auf Paasonens Arbeit. Er gilt als der Begründer der modernen historisch-vergleichenden Phonologie der uralischen Sprachen.

(Mikko Korhonen; bearbeitet von Johanna Laakso; übersetzt von Gábor Fónyad)

Werke (Auswahl):

Literatur über Paasonen:

Uuno Taavi Sirelius

*5. Mai 1872 in Jääski/Finnland, † 24. August 1929 in Helsinki/Finnland.

Finnischer Ethnologe, Mitglied der Akademie von Finnland (Suomen Akatemia).

Uuno Taavi Sirelius wurde 1872 im südkarelischen Jääski als Sohn eines Kaplans geboren. Bis 1891 besuchte er das klassische Lyzeum in Wiborg, seine schwedischen Vornamen Uno David wurden angesichts des nationalen Erwachens fennisiert. Durch seine Beschäftigung mit Heimatforschung kam Sirelius 1894 in den Dienst des Finnischen Nationalmuseums, damals bekannt als „Valtion historiallinen museo“.
Der ungarische Ethnograph János Jankó weckte in Sirelius das Interesse für das Volk der Chanten und nahm den Studenten 1896 mit auf eine Expedition nach Sibirien. Nachdem Sirelius sein Studium mit dem Magistergrad abgeschlossen hatte, brach er 1898 alleine zu den uralischen Völkern am Lauf des Obs auf. Auf die zweijährige Forschungsreise folgte 1907 eine Expedition zu den permischen Völkern. Im gleichen Jahr promovierte Sirelius mit einer Dissertation über die Sperrfischerei bei den finnisch-ugrischen Völkern.
Neben seiner Tätigkeit als Dozent für Ethnographie zwischen den Jahren 1906 und 1921 fungierte Sirelius von 1900 bis 1918 als Amanuensis des Finnischen Nationalmuseums. Später wurde er zum Kurator bzw. Leiter der ethnographischen Abteilung des 1916 eröffneten „Kansallismuseo“ ernannt. Im Jahr 1921 folgte er einem Ruf an den neu gegründeten Lehrstuhl für Finnisch-Ugrische Völkerkunde der Universität Helsinki. Im gleichen Jahr wurde ihm von der Universität Hamburg die Ehrendoktorwürde verliehen.
Infolge der Sicherung der finnischen Unabhängigkeit und der damit einhergehenden Grenzschließung im Osten des Landes konzentrierte sich Sirelius zunehmend auf ethnographische Aspekte seiner Heimat, allen voran auf die Ryenteppiche. Diverse von Sirelius zusammengestellte Ausstellungen über finnische Wandteppiche machten seinen Namen in ganz Europa bekannt.
Sirelius führte in den 1920er Jahren moderne Methoden in die Ethnographie ein: Fragebogenaktionen, Produktion ethnographischer Filme, Dorfforschungen. Er starb 1929 an den Folgen einer Krebserkrankung, seine herausragende Wirkung als Ethnograph war in Finnland jedoch bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts zu spüren.

(Maximilian Murmann)

Links:

  • Artikel auf Wikipedia "Uuno Taavi Sirelius" (finnisch).
  • Arbeiten (Auswahl):

    Posthum:

    Literatur über Sirelius:

    Yrjö Henrik Toivonen

    *19. Januar 1890 in Koski/Finnland, † 1. Mai 1956 in Helsinki/Finnland.

    Finnischer Finnougrist, Etymologe, Mitglied der Akademie von Finnland (Suomen Akatemia).

    Toivonen wurde bereits kurz vor Abschluss seines Studiums zum Forschungsassistenten von E.N. Setälä ernannt, der ab Mitte der 1910er Jahre Materialsammlungen für das erste etymologische Wörterbuch der finnischen Sprache betrieb.
    1934 erhielt er die Professur für Finno-Ugristik an der Universität Helsinki, ein Jahr später übernahm er die Leitung des Forschungsinstitutes Suomen suku in Helsinki und trat damit die Nachfolge des Institutsgründers Setälä an.
    1948 wurde Toivonen Mitglied der neu gegründeten Akademie von Finnland (Suomen Akatemia). Darüber hinaus war er von 1950 bis 1954 Vorsitzender der Finnisch-Ugrischen Gesellschaft (Suomalais-Ugrilainen Seura).
    In seiner Dissertation mit dem Titel Zur Geschichte der finnisch-ugrischen inlautenden Affrikaten, die er 1927 abschloss, beschäftigte er sich mit der finnisch-ugrischen Lautgeschichte, dem zweiten Schwerpunkt seiner Forschungsarbeit neben der Etymologie.
    Der Großteil seiner zahlreichen etymologischen Artikel und Beiträge, die unter dem Titel „Wortgeschichtliche Streifzüge“ zwischen 1919 und 1953 in den Zeitschriften Virittäjä und Finnisch-Ugrische Forschungen erschienen, behandelte außer der finnischen auch besonders die chantische Sprache. Zudem gelang es Toivonen, K.F. Karjalainens reiches Forschungsmaterial zu einem umfassenden Ostjakischen Wörterbuch zusammenzufassen und 1948 herauszugeben.
    Die von Setälä begonnene Arbeit am Suomen kielen etymologinen sanakirja setzte Toivonen basierend auf seiner Forschung am Institut Suomen suku sowie seiner Bearbeitung von Karjalainens Materialien fort, allerdings konnte er nur Band I im Jahre 1955 selbst veröffentlichen. Band II wurde von Toivonen, Erkki Itkonen und Aulis J. Joki herausgegeben und erschien 1958. Der siebte und letzte Band des Wörterbuchs wurde erst 1981 veröffentlicht.

    (Marianne Zehetmaier)

    Links:

  • Artikel auf Wikipedia "Yrjö Toivonen" (finnisch).
  • Arbeiten (Auswahl):

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